LYREWORLD

 

 

 

 

Das Leier-Ensemble Bochum

  Das Leier-Ensemble Bochum vereint Leierspielerinnen und -spieler aus ganz Deutschland und den Niederlanden mit dem Ziel, den künstlerischen Aspekt dieses neuen Instrumentes und seiner Musik weiter zu entwickeln. Die Arbeit der Gruppe begann 1994 zunächst aus dem Interesse einiger Musiker, den Zyklus „Stationen des inneren Jahres“ von Christian Giersch zu studieren. Dieses Werk bildet bis heute den musikalischen Kristallisationspunkt der Proben, die unter der Leitung des Komponisten mehrmals jährlich in Bochum stattfinden (daher der Name des Ensembles).

    Neben anderen Stücken von Giersch erarbeitet die Gruppe weitere Originalkompositionen für orchestrale Leier-Besetzung und hat auch schon improvisatorische Elemente gepflegt.

    Anlässlich der „Kulturstadt Europas“ in Weimar 1999 war das Leier-Ensemble Bochum dort zum ersten Mal öffentlich zu hören. Das Programm „Schwingung und Stille“ wechselte zwischen den Darbietungen des Ensembles und leierbegleitendem Sologesang (Monika Mayr-Häcker, Stuttgart). Ein weiterer Auftritt der Gruppe fand im Rahmen des internationalen Kongresses „Leier 2000“ in Hamburg-Harburg statt.

   Es ist das Bestreben des Ensembles, in Zukunft stärker öffentlich präsent zu sein, um die besondere Hör- und Klangqualität des neuen Saiteninstrumentes wahrnehmbar zu machen. Im Bewusstsein, damit eine Pionierarbeit zu leisten, bringen die Musikerinnen und Musiker einen hohen Grad an Idealismus auf. Die gesamte künstlerische Arbeit wird über die Berufstätigkeit hinaus geleistet.

 

    Die derzeit aktiven Mitglieder des Leier-Ensembles sind:

Floortje Bedaux, Zoetemeer                                

Helga Krings, Singen  

Veronika Biesantz, Dortmund                   

Mechthild Laier, Filderstadt

Imme Decressonnière, Bochum           

Heidrun Münich, Winterbach

Christian Giersch, Stuttgart                                

Nele Roth, Velbert-Langenberg

Ulrike Heeke, München                                             

Franziska Schlooss, Darmstadt

Maria Hollander, Hannover                                            

Sigrid Smelko, Wetter

Matthias Jakob, Echzell                                    

Reinier Steinbuch, Eindhoven

Elvira Jäger, Hannover                                            

Ursula Wolf, Steinen-Endenburg

Kerstin Knabe, Dresden                                              

 

 

Der Komponist Christian Giersch über sein Werk

„Stationen des inneren Jahres“

 

Der Wechsel der Naturerscheinungen im Jahreslauf ist seit ältesten Zeiten tief mit dem menschlichen Empfindungsleben verbunden. Kulte und Feste, Volksbräuche, Tänze und zahllose Lieder haben ihren Ursprung in den Tatsachen der rhythmischen Zeitgliederung des Jahres. In der klassischen europäischen Musik dokumentieren die berühmten Werke von Antonio Vivaldi und Joseph Haydn das Wirken einer alten Tradition.

 

Im Verlauf der Technisierung des Lebens in den letzten zwei Jahrhunderten hat der Mensch die Freiheit gewonnen, seine inneren Erlebnisse von den natürlichen Jahreszeiten weitgehend zu emanzipieren. Die Folge davon kann einerseits eine seelische Verarmung sein. Andererseits liegt darin die Möglichkeit, den Zusammenhang zwischen kosmisch-irdischen Naturvorgängen und inneren, rein seelischen Prozessen bewusst, und dadurch mit einer bisher nicht gegebenen Qualität, neu zu begreifen. In diese Richtung gehen die Anregungen der Anthroposophie Rudolf Steiners. Die Komposition „Stationen des inneren Jahres“ ist eine Frucht der Auseinandersetzung mit solchen Anregungen: Das Erahnen einer neuen Lichtgeburt im tiefen Winter bildet einen Gegenpol zur unbewussten Hingabe der Seele an den hochsommerlichen Glanz der Außenwelt. Dem Aufbrechen des Lebens aus winterlicher Erstarrung im Frühjahr steht im Herbst das Absterben der vitalen Prozesse gegenüber, das eine Bewusstseinssteigerung und Befreiung des individuellen Menschen von seiner Naturgebundenheit herausfordert.

 

Eine solche „Beschreibung“ kann leicht Missverständnisse hervorrufen, die einem adäquaten Hören der Musik im Wege stehen würden. Diese möchte nicht, wie die klassischen Werke, als Nachbildung äußeren Naturgeschehens aufgefasst werden. Mit diesem Bedürfnis gehört, muss sie enttäuschen. Ebenso wenig sollte man darin eine Darstellung geisteswissenschaft- licher Inhalte mit musikalischen Mitteln suchen. Die Musik ist absolut musikalisch gemeint. Und von jedem sonstigen Bezug, letztlich auch von ihren Titeln unabhängig. Ein waches, unvor- eingenommenes Mitgehen, ein in jedem Sinne „offenes Ohr“ wird ohne Vorwissen oder gedankliche Assoziationen im Hörer die Erlebnisse entstehen lassen, die mit der Musik gemeint sind.

 

Der Zyklus beruht, wie bereits erwähnt, auf dem Bemühen um eine neue Qualität des Zusammenlebens von Mensch und Kosmos. Daher kann es als folgerichtig angesehen werden, für die musikalische Realisierung einen Klangkörper einzusetzen, der aus der gleichen Intention heraus neu entwickelt wurde: Das moderne, zwölftönige Stahlsaiteninstrument „Leier“  in differenziert-orchestraler Besetzung. Es befindet sich zwar noch am Anfang seiner Entwicklung, verfügt aber bereits über großen, dynamischen Farbenreichtum, besonders beim chorischen Spiel. In den „Stationen“ wird ein breites Spektrum klanglicher und technischer Nuancen entfaltet, das in der gemeinsamen Arbeit von Ensemble und Komponist erforscht und zur Reife gebracht wurde. 

 

updated 20.10.2008